Dienstag, 1. Dezember 2020

Was heißt denn bitteschön "heiß", wenn wir nicht über Temperatur reden?

 

So ein typisches "Was?" bezüglich anderer Menschen kommt auch von mir. 

Was soll das bedeuten, "heiß"? Wenn man sich die Zunge am Kaffee verbrennt, verstehe ich "heiß". Aber im Hinblick auf andere Menschen? 

War das schon immer so? Ja.

Als ich 12 oder 13 (ca. 1983) war, mochte ich Barbie gerne. Lesen und Lernen waren meine allerliebsten Hobbies. Wissenschaftssendungen wie "Abenteuer Wissenschaft" oder "Sonde" habe ich ebenso verschlungen wie die Reihe der "Was ist Was" Bücher aus der Schulbibliothek. Als ich eine Kassette mit Vivaldis Vier Jahreszeiten in die Hand bekam, wurde meine Leidenschaft für Barockmusik geweckt. Mit diesen ganzen Interessen stand ich recht allein da. 

Aber: "Bravo" und "Mädchen" haben wir alle gelesen und über Rubriken wie Dr. Sommer gestaunt. Meine Schulfreundinnen hatten noch anderes im Sinn. Mehr als einmal wurde ich in der Pause mit auf den Schulhof gezerrt, so als Tarnung, damit sie nach Jungs Ausschau halten konnten. Und dann gings los: "Er ist so toll, er ist so heiß! Oh weia, er schaut hierher, was soll ich tun?!" Ich konnte dem ganzen Getue nicht viel abgewinnen. Ich fand, mir entginge wertvolle Lebenszeit, die ich viel lieber in der Bücherei verbracht hätte. Oder mit einem "ordentlichen" Gesprächsthema, wenn schon. 

Nach "tollen Jungs" befragt, konnte ich nur die Schultern zucken. Da war kein Einziger dabei, der mir gefiel, dachte ich. Da ich durch meine Interessen aber sowieso schon anders war als die anderen, war das nur ein weiterer Punkt unter vielen. War nicht schlimmer als sonst auch, ich kannte es ja nicht anders. Es war mir nicht klar, dass mir der Sinn für primäre sexuelle Anziehung fehlt. Wo hätte man sowas auch nachschlagen können, in meiner heißgeliebten Bücherei?

Als mir dann mit 16 ein Junge gefiel, war es immer noch keine sexuelle Anziehung: Es war, wie ich erst heute weiß, ästhetische Anziehung. Figur, Augen, Wangenknochen waren in meinen Augen schlichtweg schön.

Bis heute ist es für mich nicht nachvollziehbar: Primäre sexuelle Anziehung. Wie nimmt man etwas wahr, was vielleicht nur ganz schwach ist? So schwach, dass ein laues Lüftchen es verweht? Wie nimmt man etwas wahr, was man noch nie vorher hatte? Wie deutet man das? 


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